Predigt

 

 

 

Liebe Gemeinde,

 

Mit wem haben sie in der letzten Woche gesprochen?

 

Und haben sie zu jedem auf die gleiche Art und Weise gesprochen?

 

Haben sie mit jedem über das Gleiche gesprochen?

 

 

 

Sie können mit den Worten und der Grammatik ihrer Muttersprache sprechen und gleichzeitig auf unzähligen Sprachen. Abhängig von Gegenüber, vom Thema und von der eigenen Betroffenheit.

 

 

 

Manchmal sind wir in der Lage, uns zu entscheiden für eine bestimmte Art der Ansprache. Dann kann es sein, dass wir die eigenen Befindlichkeiten zurückstellen in der Hoffnung so zu sprechen, dass mein Gegenüber mich versteht.

 

Und manchmal erscheint es besser, sehr deutlich zu sein - auch auf die Gefahr hin, dass das Gegenüber sich schmollend zurückzieht, weil er das nicht hören will.

 

Manchen Menschen erreiche ich nur über Gefühle, andere über nüchterne Fakten.

 

Manchmal sollte ich mich kurz halten, manchmal muss man weiter aus holen.

 

 

 

Ich möchte heute keine Vorlesung über Kommunikation im Allgemeinen halten. Aber ich möchte sie einladen, sich auf die Vielfalt biblischer Kommunikation einzulassen. Ganz besonders auf die Kommunikation der biblischen Propheten.

 

 

 

Die biblischen Propheten haben nur selten die Zukunft gesehen. Dass gibt es zwar auch in der Bibel, aber eher selten. Nein die Aufgabe der Propheten war die Gegenwartsanalyse. Sie haben das ausgesprochen, was ist. Und so manches Mal war das sehr gepfeffert. Und an anderen Gelegenheiten konnten die Propheten auch ganz zugewandt und verständnisvoll reden.

 

 

 

Wer - redet mit wem - über was - in welcher Situation…

 

 

 

Die Propheten scheinen gute Rhetoriker gewesen zu sein. Sie bedienen sich in ihren Reden verschiedenster Stilmittel.

 

Als Leichenrede (Amos 5,1-2) formuliert Amos im 8.Jahrhundert. Die Stilmittel eines Liebesliedes verwendet sein Kollege Jesaja (Jes 5,1-7).

 

Beliebt ist immer wieder die Verwendung von juristischer Sprache. Inklusive der damals verbindlichen Formeln eines Gerichtsurteils.

 

Drohworte, Ankündigungen, Gleichnisse, Zeichenhandlungen. Es gibt eine lange Reihe von verschiedenen Stilen die die Propheten sich aus anderen Lebenssituationen ausgeliehen haben.

 

 

 

Und auch vor wem und zu wem gesprochen wird, verändert die Sprache der Propheten.

 

Als Mose zum erstenmal vor dem Pharao stand, da war sein Reden eher zurückhaltend und was er zu erreichen suchte kleidete er da in die Form einer Bitte. Und er lässt sich auch auf den Test des Pharaos ein und führt das ein oder andere Wunderwerk vor.

 

Nach neun Plagen über Ägypten steht Mose wieder vor dem Pharao. Und da lesen wir keine Bitte mehr.

 

So spricht der Herr: Um Mitternacht will ich durch Ägypten gehen  und alle Erstgeburt der Ägypter soll sterben. 8 Dann werden zu mir herabkommen alle diese deine Großen und mir zu Füßen fallen und sagen: Zieh aus, du und alles Volk, das dir nachgeht. Und daraufhin werde ich ausziehen. Und Mose ging vom Pharao mit grimmigem Zorn. (2.Mo 11,4f)

 

 

 

Die Situation war eine andere. Und die Sprache des Propheten wurde eine andere.

 

 

 

Es gibt etwas Spannendes zu beobachten bei den Propheten: Sie stellen sich nicht auf die Seite der Mächtigen. Zumindest nicht die, über die uns die Bibel berichtet.

 

Die anderen, die gab es wohl auch. Bezahlte Hofpropheten, die dem König nach dem Mund redeten. Deren einzige Aufgabe es war, den Herrschern irgendwie eine Form religiöser Bestätigung zu verschaffen.

 

Die Bibel beschreibt zwar, dass es diese sogenannten Propheten gab, aber sie gibt uns als Lesern ein Unterscheidungsmerkmal an die Hand:

 

Wenn es gefällt, was der Prophet sagt, dann ist er ein Lügenprophet.

 

 

 

Die biblischen Propheten waren immer ein Korrektiv der Mächtigen. Wenn im Staate alles gut lief, dann brauchte es keinen Propheten.

 

Doch wenn es schief lief in der Gesellschaft, beruft Gott einen Menschen zum Propheten.

 

Und die meisten wollen nicht. Es ist fast ein durchgängiges Motiv bei den Berufungsszenen:

 

Jeremia behauptet, er sei zu jung, Jesaja meint, er wäre unwürdig, Amos insistiert, er sei doch nur ein einfacher Maulbeerzüchter und niemand würde auf ihn hören. Und Mose hat eine ganze Kette von Widerworten gegen Gott, warum er ganz sicher nicht der richtige sei. Und als ihm die Argumente ausgehen beharrt er auf einem trotzigen: „Aber ich will nicht“.

 

 

 

Aber um Wollen geht es Gott nicht. Sondern darum, dass etwas massiv schief läuft in der Gesellschaft und Politik und dass das nicht verschwiegen werden darf.

 

 

 

Und wenn Worte nicht reichen, dann gibt es in der prophetischen Trickkiste auch noch die Zeichenhandlungen: Hosea soll auf Gottes Geheiß eine Hure heiraten. Und seinen Söhnen soll er als Teil der Botschaft die Namen: „Nicht mein Volk“ und „kein Erbarmen“ geben.

 

 

 

Jeremia wird von Gott losgeschickt mit einer Jochstange auf dem Nacken.

 

Während der Prophet Micha nackt rumlaufen soll.

 

 

 

Und der radikalste Weg, den Gott den Propheten auferlegt ist ihr eigenes Schicksal. Jeremia wird gefangen genommen und am Ende deportiert, Johannes wird der Kopf abgeschlagen, Jesus wird gekreuzigt.

 

Das erklärt vielleicht auch, warum sich fast alle Propheten bei ihrer Berufung weigern wollten, die Aufgabe zu übernehmen.

 

 

 

Aber es geht um die Botschaft. Um das, was in der jeweiligen Zeit unbedingt zur Sprache kommen muss. Gerechtigkeit und Frieden sind deshalb zwei der wichtigsten Vokabeln im Sprachgebrauch prophetischer Rede.

 

 

 

Und manchmal schimpfen die Propheten wie die Rohrspatzen.

 

Ihr fetten Basam-Kühe schleudert Amos der Oberschicht ins Gesicht. Otterngezücht und Schlangenbrut ist es bei Johannes dem Täufer.

 

 

 

Vielleicht eine etwas längere Kostprobe?

 

Hört dies ihr Priester und nimm zu Ohren, Haus des Königs: Denn euch ist das Recht anvertraut.

 

Ihr aber seid eine Schlinge für Mizpa geworden und ein ausgespanntes Netz dem Tabor.

 

Ihr habt einen Geist der Hurerei in euren Herzen.

 

Allein dich klage ich an: Straucheln sollst du am Tage und in der Nacht und auch deine Mutter richte ich zugrunde.

 

So Hosea. Und bei Amos heißt es:

 

Kommt her nach Bethel und sündigt noch mehr.

 

Sie achten kein Recht.

 

Sie horten Gewalttat und Raub in ihren Palästen.

 

Hört diese Worte ihr fetten Kühe, die ihr den Geringeren Gewalt antutund schindet die Armen und sprecht danach: Bringt her und lasst uns saufen.

 

 

 

Nein, wenn es darauf ankam, haben die Propheten kein Blatt vor den Mund genommen.

 

 

 

Und manchmal haben die Propheten von der Hoffnung gesprochen. Davon, dass das Unrecht nicht auf Ewigkeit Bestand haben wird. Aber solche Worte wurden an die Leidenden gerichtet und nicht an die Mächtigen.

 

 

 

Was für mich eine Offenbarung war im Studium, war die Erkenntnis, welche Propheten in unserer Bibel überliefert wurden. Es waren die Underdogs. Die, die sich getraut haben, gegen die Mächtigen zu sprechen. Die den ungerecht Herrschenden den Spiegel vorgehalten haben.

 

Die bezahlten Hofpropheten aber, die, die den Herrschenden nach dem Mund geredet haben, haben keinen Eingang in die Bibel gefunden.

 

 

 

Unsere Tradition ist die Seite der Ohnmächtigen. Und unsere Aufgabe als Christen, die sich auf die Worte der Propheten Gottes berufen ist es, den Mächtigen das Gericht anzusagen, wenn sie ihre Macht missbrauchen.

 

Und wenn es nötig ist mit drastischen Worten.

 

Drastisch kann eine Schimpftirade sein.

 

Doch nicht weniger drastisch in der Aussage waren die Worte von Mariann Edgar Budde, der anglikanischen Bischöfin von Washington. Die ganz ruhig und sanft den frischeingeführten amerikanischen Präsidenten um Gnade gebeten hat für die Menschen die in Angst leben angesichts der Pläne der Trump-Regierung.

 

 

 

Manchmal braucht es die eine Art des Redens, manchmal eine andere. Aber das, was gesagt werden muss, muss gesagt werden.

 

Und welche Form der Ansprache die rechte ist, das wird uns die Geschichte erst im Rückblick zeigen.

 

 

 

Und es gibt noch etwas, dass ich beim Thema Propheten nicht verschweigen will: Es waren ganz normale Menschen. Und bis sie von Gott beauftragt wurden, zeichneten sie sich durch nichts Besonderes aus. Ganz normale Menschen.

 

Ganz normale Menschen.

 

Ganz normale Menschen wie sie es sind.

 

 

 

Ganz direkt von Gott angesprochen zu werden, ganz direkt den konkreten Auftrag aus dem Mund des Allmächtigen zu bekommen, das ist ein eher seltenes Geschehen.

 

Aber dass etwas im Argen liegt, kann man auch selbst erkennen. Das etwas im Argen liegt, weil weder Recht noch Gerechtigkeit geübt wird von den Mächtigen, das können wir auch mit unseren eigenen Augen, Ohren und Herzen wahrnehmen. Wenn der Friede zwischen den Menschen nicht mehr das Ziel der Politik ist, dann brauchen wir nicht eine direkte Beauftragung von Gott. Der Auftrag, der dann an jeden einzelnen von uns gerichtet ist, der ergibt sich aus der Heiligen Schrift: Gerechtigkeit und Frieden.

 

 

 

Gerechtigkeit und Frieden. Und wenn die in Gefahr sind, dann hat jeder einzelne von uns den Auftrag Prophet zu sein. Welche der unzähligen Ausdrucksweisen sie dann wählen, ist Ihnen überlassen.

 

Nur Gewalt gegen Menschen ist keine Ausdrucksweise einer berechtigten Wut über Ungerechtigkeit, von der die Bibel berichten würde.

 

Liebe Gemeinde, seien sie wachsam. Halten sie ihre Ohren, Augen und Herzen offen um zu erkennen, wann sie selbst zum Propheten werden müssen. Und dann machen sie ihren Mund auf. Der Prophet Micha hat es in einem Satz zusammengefasst:

 

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist

 

und was der HERR von dir fordert,

 

nämlich Gottes Wort halten

 

und Liebe üben

 

und demütig sein vor deinem Gott.

 

 

 

Wenn das nicht mehr gegeben ist, dann müssen Sie zum Propheten werden.

 

Denn auch das lehrt uns die Bibel: Kneifen gilt nicht.

 

Als Amos das versucht, spricht Gott zu ihm:

 

Der Löwe brüllt, wer sollte sich da nicht fürchten?

 

Gott der Herr redet,

 

wer sollte nicht zum Propheten werden?

 

 

 

Sie werden gleich das neue Programm von Peter Henze sehen können. Auch er greift in die große Trickkiste der Ausdrucksformen. Auch er versucht sich an einer Analyse der Gegenwart. Und auch er zeigt auf, was in unserer Gesellschaft und Politik nicht dem Prinzip von Gerechtigkeit und Frieden folgt.

 

Ist er ein Prophet? Nach dem, was ich in dieser Predigt bislang gesagt habe, ja.

 

 

 

Doch eines fehlt noch zum Propheten: Seine Botschaft muss ihr Herz erreichen.

 

 

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.

 

Amen